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Beschluss des Landesparteitages vom 25. März 2017

25.03.2017
A 01 - Die Rente muss auch in Zukunft reichen!
Die Rente muss auch in Zukunft reichen!

Wir kämpfen für eine Rente,
die den Lebensstandard sichert,
Armut im Alter strukturell verhindert und
solidarisch finanziert wird!

Es ist eine zentrale Aufgabe des Sozialstaats dafür Sorge zu tragen, dass alle Al-tersgruppen an der Entwicklung von Einkommen und Wohlstand beteiligt werden und ohne Einschränkung am Leben teilhaben können. Deshalb brauchen wir eine ausreichende und gerechte Alterssicherung in Deutschland.

Die SPD setzt sich für eine Weiterentwicklung der Alterssicherung mit folgenden Zielen ein:

1. Die gesetzliche Rentenversicherung auf der Grundlage des Umlageverfahrens ist das zentrale Element einer sozialen und solidarischen Alterssicherung. Sie erreicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Durch ihre Umlagefinanzierung muss niemand fürchten, dass seine Rente durch Turbulenzen an den Kapitalmärkten gefährdet wird. Sie ist außerdem weitaus kostengünstiger als die kapitalgedeckte Vorsorge, da sie nicht von hohen Vertriebsprovisionen und Werbekampagnen belastet wird.
2. Das Rentenniveau muss auf deutlich über 50 Prozent des Bruttoeinkommens stabilisiert werden. Die eingeführten Begrenzungsmechanismen (Riester-Faktor und Nachhaltigkeitsfaktor) müssen entfallen. Bezugspunkt sollten die beitragspflichtigen Bruttolöhne abzüglich Sozialausgaben sein. Das Rentenrecht in den alten und neuen Bundesländern ist – finanziert aus Steuermitteln – anzugleichen.

3. Die Finanzierung der Rente muss den Prinzipien der Solidarität und der Parität folgen. Deshalb ist es sinnvoll, schrittweise weitere Personengruppen wie Selb-ständige, Freie Berufe, Beamte, Richter und Abgeordnete – z. B. mit einer Stich-tagsregelung – in die Versicherung einzubeziehen („Erwerbstätigenversiche-rung“). Die Beiträge müssen paritätisch von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite getragen werden. Wir werden eine schrittweise, moderate Erhöhung der Beiträge vornehmen müssen. Es ist zu prüfen, ob die Beitragsbemessungsgrenze – ab der bisherigen Grenze nur mit einer teilweisen Leistungsäquivalenz – erhöht werden kann.

Ein dringender erster Schritt ist die Pflichtmitgliedschaft von allen Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Nach in Kraft treten dieser Regelung soll es keine Alternativen zu der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung für neue Selbständige geben.

Ausnahmen sollen lediglich für die der gesetzlichen Rentenversicherung gleichgestellten Einrichtungen, wie die Alterssicherung der Landwirte, die Künstlersozialversicherung sowie die berufsständischen Versorgungen der verkammerten freien Berufe gelten. Diese bleiben als eigenständige Alterssicherungssysteme erhalten. Es soll geprüft werden, unter welchen Umständen ganze private Versicherungen oder berufsständische Werke in die gesetzliche Rentenversicherung freiwillig aufgenommen werden können.

Bereits selbständig Tätige sollen ebenfalls in die Pflichtversicherung einbezogen werden, wenn sie nicht bereits eine ausreichende und gesicherte Altersvorsorge auf anderen Wegen aufbauen. Selbständige die erstmals in die gesetzliche Rentenkasse Beiträge einzahlen, können zwischen einem ermäßigten Regelbeitrag und einer einkommensabhängigen Zahlung wählen. Für eine Zeit von 3 Jahren wird auf Antrag nur der halbe Beitragssatz fällig. Der übrige halbe Beitragssatz soll durch Bundeszuschüsse bezahlt werden.
4. Wichtige Voraussetzung für eine ausreichende Rente ist ein vorangegangenes Arbeitsleben mit ausreichenden Verdiensten. Daher müssen prekäre Arbeitsver-hältnisse und die Arbeitslosigkeit bekämpft und ausreichende Löhne und Gehälter gezahlt werden. Der Mindestlohn ist nur ein erster Schritt. Klar ist: Gute Rente erfordert gute Arbeit.

5. Die staatlich geförderte private Altersvorsorge („Riester-Rente“) wird das sinkende Rentenniveau in der Gesetzlichen Rentenversicherung nicht kompensieren können. Sowohl die hohen Kostenbelastungen, als auch die unkalkulierbaren Risiken an den Anlagemärkten lassen erwarten, dass die unterstellten Kapitalrenditen nicht erreicht werden. Wichtiger noch: Weniger als die Hälfte der Förderberechtigten hat einen solchen Vertrag abgeschlossen. Der Anteil derjenigen, die die Förderung maximal nutzen, ist noch weitaus geringer. Gerade Förderberechtigte mit niedrigem Einkommen sind zudem deutlich unterrepräsentiert. Außerdem ist der Risikoschutz bei Riester-Renten lückenhaft: Die gesetzliche Rente sichert alle drei Risiken (Alter, Hinterbliebene, Erwerbsminderung) ab, die Riesterrente stellt letztlich nur auf die Leistung bei Rentenbeginn (ohne Dynamisierung) ab.

Die Förderung der „Riester-Rente“ sollte deshalb bei Bestandsschutz für beste-hende Verträge auslaufen. Gleichzeitig sollte bei der Gesetzlichen Rentenversi-cherung die Möglichkeit geschaffen werden, durch individuelle Einzahlungen in Form einer freiwilligen Höherversicherung und die Übertragung von „Riester“-Guthaben zusätzliche Rentenanwartschaften zu erwerben.
6. Auch die arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersvorsorge hat die in sie gesetzten Erwartungen bislang nicht erfüllt. Die Kostenbelastungen sind oft nicht geringer als bei der „Riester“-Rente. Die Risiken aus der Abhängigkeit vom Kapi-talmarkt sind dieselben. Gleichermaßen unbefriedigend ist die Nachfrage: Gerade in den Branchen mit niedrigeren Einkommen und hohem Frauenanteil ist der Verbreitungsgrad gering. Hochgradig ineffizient ist zudem die Sozialabgabenbefreiung für die umgewandelten Lohn- und Gehaltsanteile. Sie ist nicht nur zur Hälfte eine ungerechtfertigte Subventionierung der Arbeitgeber. Insgeheim schmälert sie auch die gesetzliche Rente der Arbeitnehmer und schwächt die Sozialkassen insgesamt. Dieser Missstand muss deshalb bei einer Reform der betrieblichen Altersvorsorge generell beseitigt werden. Die dabei geplante Verlagerung des Anlagerisikos vom Arbeitgeber auf die Arbeitnehmer ist nicht ausreichend abgesichert; der zusätzliche Sicherungsbeitrag ermöglicht keine wirksame Garantie und ist nicht obligatorisch. Die automatische Entgeltumwandlung gerade in unteren Einkommensbereichen ist kritisch zu sehen, da sie den Sozialversicherungsschutz verringert und die Einnahmen der Sozialversicherungen weiter reduziert. In diesem Zusammenhang dürfen tarifvertraglich abgesicherte Zusatz-Rentenmodelle nicht angetastet werden. Diese Reform sollte besser große und professionell gemanagte Kapitalsammelstellen schaffen, um eine effizientere Verwaltung der An-lagegelder auch in den Branchen zu ermöglichen, die keine gemeinsamen Versorgungswerke von Arbeitgebern und Gewerkschaften besitzen. Eine gute Lösung könnte hierzu ein zentrales betriebliches Altersvorsorgekonto unter dem Dach der Deutschen Rentenversicherung sein, wie es seit längerem diskutiert wird. Handlungsleitend sollte dabei aber immer sein, dass die betriebliche Altersvorsorge kein Ersatz für Lücken in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, sondern eine effiziente kollektive Alternative zum individuellen privaten Vorsorgesparen.

Die in diesem Zusammenhang geplante Einführung von Freibeträgen in der Grundsicherung im Alter bei Beiträgen zur freiwilligen Altersvorsorge sollte auch auf die gesetzliche Rentenversicherung ausgedehnt werden, um diejenigen zu honorieren, die durch jahrelange Zahlungen einen Beitrag zu ihrer Alterssicherung leisten.
7. Auch im Rentensystem muss sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Fami-lien- und Erwerbsarbeit positiv widerspiegeln. Die Rente muss unsere moderne Vorstellung von Partnerschaft in der Familie abbilden. Die Rentensituation von Frauen muss dabei besonders berücksichtigt werden. Frauen, die in der Vergan-genheit die überwiegende Familienarbeit in einer Beziehung getragen haben, müssen diese anerkannt bekommen. Die Anerkennung gesellschaftlich wichtiger und gewünschter Arbeit von Männern und Frauen, z. B. Erziehung von Kindern, Pflege von Angehörigen, soziales Engagement sollten durch steuerlich zu finanzierte Beitragszeiten weiterhin berücksichtigt und ausgebaut werden.

Eine Weiterentwicklung der Alterssicherung muss ebenso Antworten auf die drohende Altersarmut von Frauen finden. Eine zentrale Ursache für das größere Risiko von Frauen, von der Rente nicht leben zu können, sind die Unterschiede der Erwerbseinkommen zwischen Frauen und Männern. Daher müssen auch die heutigen Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern überwunden werden. Wir benötigen deshalb ein Rückkehrrecht zur Vollzeit und eine faire Entlohnung von Frauen und Männern. Außerdem müssen wir steuer- und sozialrechtliche Bedingungen ändern: Wir brauchen eine Alternative zum Ehegattensplitting und eine bessere Anerkennung von Erziehungszeiten.

8. Die Gefahr der Altersarmut bedroht insbesondere diejenigen, die über längere Zeit nur ein niedriges Einkommen erzielen konnten oder Phasen von Arbeitslosigkeit hinnehmen mussten. Wer berufsbedingt immer wieder Zeiten ohne Erwerbstätigkeit hat oder zwischen abhängiger und selbständiger Beschäftigung wechselt, braucht trotzdem Sicherheit für seine Versorgung im Alter. Wir fordern daher, dass für Personen, die mehr als 30 Jahre unter Anrechnung von Erziehungszeiten und Zeiten von Arbeitslosigkeit dem Arbeitsmarkt in vollem Umfang zur Verfügung standen, anstelle der Grundsicherung als Sozialhilfeleistung eine Rente nach Mindesteinkommen gezahlt wird. Mitnahmeeffekte sind zu vermeiden.

Ihre Höhe bestimmt sich entsprechend der jeweiligen regionalen Grundsicherung sowie eines Zuschlages von einem zu dynamisierenden Betrag von 200,00 Euro. Sie ist aus Steuermitteln zu finanzieren, Einsparungen entstehen bei der Grundsicherung im Alter im SGB XII. Uns ist bewusst, dass daneben noch weitere Schritte zur Bekämpfung von Altersarmut außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung nötig sind.

Wir setzen uns auch dafür ein, die während der Haftzeit in den Justizvollzugan-stalten arbeitenden Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen.

Besonders von Altersarmut bedroht sind Personen mit einer Erwerbsminderungsrente. Diejenigen, die aufgrund einer Erwerbsminderung zu einem vorzeitigen Ausstieg aus dem Berufsleben gezwungen sind, müssen eine bessere Absicherung bekommen. Notwendig ist dafür zum einen eine rasche Ausweitung der Zurechnungszeit bis zur Regelaltersgrenze für neue Renten und Renten im Bestand (nicht nur bis 65, wie geplant) – so entstehen Rentenansprüche, als hätte die Person eine volle Erwerbskarriere erreicht. Zum anderen müssen die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten gestrichen werden, von denen inzwischen fast alle Erwerbminderungs-Rentner betroffen sind. Sie sind nicht gerechtfertigt, da ja eine Erwerbsminderung nicht frei gewählt wird und deshalb keine Beteiligung an den vom Rentner „verschuldeten“ Zusatzausgaben erfolgen darf.
9. Die Altersvorsorge und der Renteneintritt müssen sich flexibel den unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Branchen anpassen. Sie muss dabei sowohl kürzere oder längere Lebensarbeitszeiten in verschiedenen Berufen als auch Aus-, Fort- und Weiterbildungsanforderungen und die gesundheitlichen Belastungen berücksichtigen. Die Arbeit ist altersgerechter zu gestalten.

Der Belastungsabbau durch Teilzeitarbeit für Ältere ist dabei ein zentraler An-satzpunkt für die Renten-Übergangsphase. Die Verringerung der Arbeitszeit im Alter darf aber nicht mit unangemessenen Einschränkungen des Einkommens in den letzten Jahren der Erwerbsphase oder beim Bezug der Altersrente verbunden sein. Notwendig ist deshalb eine finanzielle (Teil-) Kompensation von Einkommenseinbußen sowohl in der Phase der Teilzeitarbeit als auch in der Rentenphase. Dies gilt besonders in den Fällen, in denen die Teilzeitarbeit eine Alternative zu einer (gesundheitsbedingten) Kündigung ist und damit Arbeitslosigkeit vermeidet.
Auf eine „Zwangsverrentung“ von Arbeitslosen muss verzichtet werden.

Der Übergang in die Rente ist flexibler zu gestalten, u. a. durch eine Teilrente. Neben einer flexibleren und höheren Hinzuverdienstgrenze bei Teilrenten zählen hierzu auch ein verbesserter Anspruch auf Teilzeitarbeit, eine Teilrente ab dem 60. Lebensjahr und die Wiedereinführung einer durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten Altersteilzeit.

10. Die Altersvorsorge muss transparenter und verständlicher werden. Nur wer weiß, welche Ansprüche er oder sie hat und wie er oder sie sich eine gute Rente sichern kann, ist auch in der Lage selbst Verantwortung dafür zu übernehmen und seine Zukunft zu gestalten.

Diese Ziele werden nicht von heute auf morgen und ohne Zwischenschritte zu ver-wirklichen sein. Sie beschreiben unser Ziel, für das wir Mehrheiten gewinnen wollen.